didymus - 29. Jul, 11:36

Ich will mich nicht einmischen, aber...

Vor ein paar jahren entdeckte ich den internetauftritt die dschungel. Anfänglich empfand ich es spannend, mich an diesem nichtort rumzutreiben. Diese form der vernetzung ließ mich über den begriff tagebuch in der zeit des internets und der blogs neu nachdenken. Diese gedanken endeten schließlich in einem kleinen text, den ich auf meinen blog stellte. Auszug:

"Warum schreibe ich ein Tagebuch? Das ist eine Frage nicht nur an Autoren. Warum veröffentliche ich ein Tagebuch? Das war bis vor ein paar Jahren eine Frage nur an Autoren.
Seit es das Internet gibt und dies für (fast) alle erreichbar ist, erübrigt sich dieses Privileg der Veröffentlichung für ein paar einzelne Leute. Es geht nur noch um die Form der Veröffentlichung. [...] In einem ausschließlich privat geschriebenen Tagebuch musste ich mich selber (er)finden und mit dem öffentlichen muss ich den Partner, den Leser an den ich mich wende, (er)finden. Es ist also am Ende der Versuch einer Kommunikation, ein gewollter Dialog.
Ab jetzt kommt die Frage der Indiskretion ins Spiel. Wann fängt die an? Die Indiskretion fängt da an, wo der Leser sich betroffen fühlt. Es geht nicht um die Preisgabe anderer Leute. Es geht um Tabus die verletzt werden könnten, die der Leser hat. Wann verletzt der Autor diese Tabus? Immer dann, wenn der Leser sich identifiziert und dabei Dinge entdeckt, die er sich nicht selbst zugegeben hätte.[...]"

Von diesem text setzte ich Herbst in kenntnis. Zu gegebenen anlass hatte er daraus zitiert, wenn ich mich recht entsinne.

Was ist die dschungel heute für mich. Heute, nachdem ich mit großem aber abfallenden interesse Meere von Herbst gelesen habe, heute nachdem ich ständig versuche mich auf das lyrische verständis von Herbst einzulassen und dabei immer wieder von neuem erstaunt bin, wozu der begriff lyrik so alles herhalten muss, nach alldem ist das lesen der dschungel heute für mich ein spaß. Und trotzdem geht es mir wie Ihnen, wenn sie sich fragen, warum lass ich mich darauf ein. Aber vielleicht ist es dieses staunen meinerseits, was mich immer wieder lesen lässt. Das erstaunen über diese egozentrik von Herbst, nun ist freilich egozentrik nichts ungewöhnliches, sie betrifft uns fast alle, aber in dieser unreflektierten form bin ich ihr noch nie begegnet.

Entschuldigen Sie bitte diesen langen text...

ferromonte - 29. Jul, 13:55

die länge der texte spielt keine rolle, mehr der inhalt.

"Die Indiskretion fängt da an, wo der Leser sich betroffen fühlt. Es geht nicht um die Preisgabe anderer Leute. Es geht um Tabus die verletzt werden könnten, die der Leser hat. Wann verletzt der Autor diese Tabus? Immer dann, wenn der Leser sich identifiziert und dabei Dinge entdeckt, die er sich nicht selbst zugegeben hätte.", schreiben sie.

betroffenheit an sich, scheint mir, muss nicht zwingend was mit indiskretion zu tun haben. oder tabubruch.
ihre definition von tabubruch könnte aber genausogut einer psychologischen erkenntnis gleichkommen: ich lese einen text, im web oder in einem buch, und ich habe ein tiefergehendes erlebnis, weil die gelesesen worte etwas in bewegung bringen, einen reifen apfel zum fallen bringen, und plötzlich gewinne ich eine einsicht über mich, die vielleicht schon lange anstand, aber jetzt ins bewußtsein hochsteigt. dann ist das was wünschenswertes, primär jedenfalls.
indiskretion wäre es, würde ich einen an mich persönlich gerichteten brief der öffentlichkeit preiszugeben: das vertrauen eines anderen menschen, aus welchem grund auch immer, zu brechen. (herbst interessiert es nicht, was andere als indiskretion empfinden, nur was er empfindet. ausnahme: sein sohn/die gliebte.)
ein tabubruch wäre entsprechend gegeben, wenn ein tabuthema (das moralisch belastet ist) direkt aus- und angesprochen ist bzw. enttabuisiert wird, indem damit frei umgegangen wird, als wäre es kein tabu. WAS aber als tabu gilt, hängt von der geschellschaftlichen übereinkunft bzw. der herrschenden moral ab. was für sie ein tabubruch ist, könnte für mich keiner sein oder umgekehrt.
herbsts besonderheit ist jetzt aber nicht, daß er indiskret ist und tabus berührt, sondern daß er behauptet, selbst kein privatleben zu haben und keine indiskretionen zu kennen ( ausgenommen seine engsten familienangehörigen).
und das wiederum macht er, um einen "künstliche" identität (im unterschied zu "echten", der persönlichkeit) aufrechtzuerhalten, die er sich zulegte vor vielen jahren, um den problemen seines lebens einfacher zu begegnen. er spielt sich selbst und den dschungellesern etwas vor, eine maskerade (sein begriff), die ihn selber krankmacht, die er aber nicht aufgeben will/kann, weil darauf seine identität beruht. künstler zu sein ist für ihn DIE nische in unserer gesellschaft, in der er überleben zu können glaubt (und es auch tut), ohnen allzuviele regeln useres europäischen zivillebens einhalten zu müssen und die ihn aller menschlichen anforderungen entbindet; das bringt aber zusehends probleme mit sich, weil er sich so verpuppt hat in seiner ästhetischen theorie, die wiederum seine haltung und sein verhalten dem "betrieb" und seinen vertretern (juroren etwa, verlegern, lektoren etc.) untermauert. ich will das jetzt nicht ausdehnen, sie wissen wahrscheinlich was ich meine ... für meine eigenen begriffe empfinde ich übrigens diese zeilen als indiskretion, herbst aber sicher nicht, weil er anders wertet (oder gar nicht wertet) und denkt.
didymus (Gast) - 29. Jul, 15:45

Diesen von mir geschriebenen und hier zum teil zitiertern text habe ich geschrieben als ich die dschungel entdeckte und ich von dessen betreiber noch garnichts wusste. Das projekt als solches hatte es mir angetan. Somit kann dieser text nicht den betreiber im besonderen meinen. Es geht in diesem text nur und ausschließlich um das tagebuchschreiben, um private und öffentliche tagebücher. Es geht noch nicht mal um dieses konkrete projekt. Die frage, die ich mir stellen wollte, war eigentlich: warum schreibt jemand tagebuch und warum schreibt jemand ein öffentliches tagebuch! (Schon vor dem internet existierten öffentliche tagebücher: z.B: von Edmond und Jules de Goncourt, Max Frisch. E.Canetti o.A. Es gab auch tagebücher in literarischer form: U. Johnson 'Jahrestage'.) Ich hatte diesen text damals als kommentar in die dschungel gestellt um dort im dschungel der vielfalt, wie ich dachte, ein gespräch in aller öffentlichkeit in gang zu bringen. Aber das hat leider nicht geklappt, oder wurde nicht in betracht gezogen. Der begriff der diskretion kam ins spiel, weil autoren (s.o.), die solche bücher in der öffentlichkeit führten, gegenüber ihren lesern bestimmte persönliche räume nicht verletzen wollten. Im übrigen denke ich, diskretion gegenüber dem leser als haltung des autors hat etwas mit berufsethos zu tun. Es gibt autoren die das nicht oder nur teilweise tun. Das starke wort von tabuverletzung (nicht tabubruch, soweit wollte ich dann doch nicht gehen) sollte provozieren und reaktionen auf diesen text abtrotzen.

Das wort 'eingepuppt' trifft. Mehr will ich zu der fiktiven oder realen person Herbst nicht sagen. Selbstverständlich darf man als leser (oder soll ich besser sagen als schüler) der dschungel-einfalt nichts in frage stellen, was der meister dort hinterlässt. Kritisieren darf man schon garnicht. Es ist sinnlos sich auf eine diskussion nach dem motto "was ist kunst einzulassen". Kunst ist nicht messbar, das ist klar. Aber sie muss gewollt sein, und das nicht nur vom Künstler.

Ich danke Ihnen für ihre gedanken. Das internet ist eben doch ein dschungel, der zum disktuieren einlädt...
Sturznest - 29. Jul, 16:05

Das schlimmste ist die Selbstherrlichkeit und die Truppe die sich um diese Selbstherrlichkeit bindelt, ich hätte niemals geglaubt dass es so etwas in der Art im literarischen Bereich gibt, aber ich wurde lärmende, eines anderen belärmt.
ferromonte - 29. Jul, 16:08

wenn sie wüßten. mittlerweile wird mir mit einer anzeige sowie kommentarsperre auf den dschungeln gedroht.
Sturznest - 29. Jul, 16:10

Ja so sind die rechtlosen, sie drohen immer gerne mit Anzeigen...ich werde sie im Gefängnis besuchen..:-)

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